Aus: Am Schönstattquell, 1. Heft 1949, S. 17 ff.:
Wenn wir nach Schönstatt kommen, suchen wir dort gerne alle Orte auf, die uns etwas zu sagen haben. Jede Veränderung fällt uns auf, und wir fragen nach deren Gründen. Es sollen ja alle Dinge am Gnadenorte zu uns sprechen, und wir wollen verstehen, was ihre Symbolik bedeutet.
Was ist nur an den Heldengräbern beim Kapellchen geschehen? So mag sich deshalb mancher Teilnehmer der Oktoberwoche gefragt haben, als er zum erstenmal wieder seine Schritte dorthin lenkte. Nur die schwarzen Kreuze auf den Grabhügeln von Hans Wormer und Max Brunner hatten noch dasselbe Aussehen wie früher. Und die Ampel mit den fünf Symbolen für die Ideale der „Generation der Schwarzen Kreuze“ war noch da. Aber sie hing an einem neuen, grauweißen, hochragenden Naturstein. Die Gedenktafel war entfernt. Ihre Inschrift das Motto „Wir hüten Euer Erbe“ und die Namen Englings und der übrigen gefallenen Sodalen des Ersten Weltkrieges stand nun in schmiedeeisernen Buchstaben gitterartig am Fuße des Steins. Auf den Gräbern von Pater Albert Eise und Pater Franz Reinisch waren massive, überdachte Holzkreuze errichtet.
Wie kam es zu diesen Veränderungen? Warum mußte der alte, schöne Naturstein weichen? Dies interessiert uns vor allem. Der Anlaß ist folgender: Herr Pater Kolb hatte in Rom Reliquien von Vinzenz Pallotti für Schönstatt erhalten. Diese werden im Pallottizimmer des Bundesheims aufbewahrt. Ein Stück vom Sarge Pallottis aber sollte in der Nähe des Kapellchens einen Ehrenplatz finden. Man gedachte, sie in den alten Grabstein einmeißeln zu lassen. Als aber die Fachleute denselben untersuchten, stellten sie fest, daß er brüchig war. Ein harter Winter konnte ihn sprengen. Die „Generation der Schwarzen Kreuze“ erhielt deshalb den Auftrag, für eine neue würdige Ausstattung der Heldengräber zu sorgen. So steht nun dort der neue Stein, überragt von einer metallenen Halbkugel mit einem Kreuze. Sie soll die kostbare Reliquie des ehrwürdigen Stifters der Gesellschaft vom Kath. Apostolat bergen, dessen Name auf ihr zu lesen ist. Und sie ist Symbol für das Ziel der Schönstattbewegung: die Christusgestaltung der Welt, für das die Toten, die hier ruhen, Söhne Pallottis , ihr Lebensopfer dargebracht haben.
Als wir uns am 20. Oktober abends 8 Uhr an den Heldengräbern einfanden, um der Segnung der neuen Grabanlage beizuwohnen, funkelten am nächtlichen Himmel die Sterne, und auf der geheiligten Erde flammten Feuer, die ihren Schein über Grabstein und Kreuze ergossen. Ehe die liturgische Weihe vorgenommen wurde, ließen wir uns in einer Feier mit warmen, bildhaften Worten sagen, wie Schönstatt heiliges Marienland wurde und wie die „Generation der Schwarzen Kreuze“ das hohe Erbe der Gründergeneration angetreten hat und sich ihm verpflichtet weiß. Einige der bedeutungsvollsten Stellen aus der schlichten und doch so eindrucksvollen Feier seien hier wiedergegeben:
„Es war die Zeit (1914), da die Menschen sich schlugen wie ungebärdige Knaben, aber grausamer als diese und bis aufs Blut ... Da der Neid bis aufs höchste gestiegen, zerfleischten sie Gottes Ebenbild. Das sah mit großer Trauer ihre Mutter auf Erden, die Kirche, und ihre Mutter im Himmel, Maria. Und beider Trauer war groß. Maria aber gedachte der unsagbaren Stunde, da sie unter fröhlichem Engelgesang der Welt Christus, das Leben, geschenkt und den Frieden. Sie gedachte auch der Bitternis jener Stunde, da sie keine Herberge gefunden, nur eine harte Krippe und Menschenherzen noch härter. Das alles legte sie auf eine Waage, und sieh, ihre Liebe überwog. Sie sprach zu ihrem Kinde Worte tiefer Erbarmung für ein elendes Geschlecht ...“
Und Maria stieg gleichsam wieder zur Erde mit ihrem Kinde. Aus einem verborgenen Tale hörte sie den Ruf erklingen: Herrin, die Todgeweihten grüßen Dich! Es war die Stunde, in der Maria eine Heimstatt fand, ihren Sohn zu betten in glühende Menschenherzen ... Sie schlug im kleinen Heiligtum ihren Thron auf.
Zum zweiten Male wurde für Schönstatt eine Gründungsurkunde geschrieben: am 18. Oktober 1914. (Anmerkung: Die erste ist die Gründungsurkunde von Alt-Schönstatt, am 24. Oktober 1143 unterzeichnet.) Seitdem ist das Kapellchen im Talesgrund eine Hochburg der Himmelskönigin, ein Haus des Lichtes in dunkler Zeit, eine Stätte der Rast für müde Wanderer, eine Gralsburg der Herrin.
Dort traten am 11. April 1915 Josef Engling und Hans Wormer an ihre Fahne und sprachen das feierliche Gelöbnis: ,Das ist die Fahne, die ich auserkoren, die laß ich nicht, Maria sei’s geschworen!' Und ehe die Sodalen hinauszogen (ins Feld), knieten sie alle noch einmal vor dem Bilde der Gottesmutter und baten um ihren Schutz und Segen. In ihrem Herzen aber stand das Wort geschrieben, das am 8. Dezember 1914 Max Brunner in begeisterter Stunde gesprochen:
„Ich sehe der Jungfrau Banner erhoben. Mein brechend Auge soll sich nicht von ihr abwenden. Die zitternden Hände noch will ich zum Schwur erheben, und sterbende Lippen sollen flüstern und beben: Ave Imperatrix, morituri te salutant! (Ave Herrin, die Todgeweihten grüßen Dich!)“
Das Gnadenwalten des Himmels und heldischer Einsatz auf Erden schufen in schwerer Zeit Schönstatts erste Geschichte.
Was Schönstatts erste Jugend als Erbe hinterlassen, das mußten nachfolgende Geschlechter sich von neuem erobern. Fünf Fähnlein taten sich zusammen zu neuem Kampf und Sieg. (Anmerkung: Gemeint sind hier die Schönstattgruppen aus 5 Schulklassen des Studienheimes in Schönstatt der Jahre vor dem Zweiten Weltkrieg.)
Ein erstes Fähnlein ergriff das Schwert, die Finsternis zu zerteilen. Auf dem Schwerte aber war zu lesen:
Einig, kraftvoll, brüderlich gleich,
Schönstatt, Heimat, Jugendreich!
Ein zweites Fähnlein griff zum Schild, beginnendes Leben zu schützen. Auf dem Schild war eine Lilie, in den Herzen aber das Wort:
Brüderlich geeint in jugendfroher Kraft,
des Lilienbanners freie Ritterschaft!
Das dritte Fähnlein zündete die Fackel an, sich selber in Glut zu verschwenden:
Einig, erglühend in tatfroher Kraft,
die Garde Mariens ihr Jugendreich schafft.
Das vierte Fähnlein pflanzte das Sturmbanner auf, zu stürmen und zu siegen. Auf dieses Banner legten sie ihr Gelöbnis ab:
Nimmer zu wanken in Sturm und im Streit
und es sieghaft zu tragen gegen jedweden Feind!
Das letzte Fähnlein aber übernahm die Ehrenwacht, zu hüten den heiligen Gral:
Jugendfroh, trutzig, einig und stark,
Gralsritter Mariens, treu bis ins Mark!