Seit Mai 1946 befand sich die Urne von Pater Reinisch schon in Schönstatt. In einem Raum neben der Kapelle des Exerzitienhauses wurde sie aufbewahrt, und oft fanden sich stille Beter dort ein. Anfang Oktober wurde auch die Asche von Pater Eise aus seiner Heimat hierhin übertragen.
Schon immer war die Gedächtnisstätte würdig geschmückt gewesen; am Tag der feierlichen Beisetzung aber empfing man dort besonders tiefe Eindrücke. Die beiden einfachen Urnen, mit Herbstranken umwunden, standen vor einem weißen, schwarz gesäumten Behang, auf dem in Goldbuchstaben die Worte aus dem Lied von P. Reinisch zu lesen waren: „... Bringe mich, o Mutter, als Liebesopfer dar.“ Bilder der beiden Helden waren über den Urnen angebracht, so daß ihr Wesen noch lebendiger vor dem inneren Auge erstand, und das Bewußtsein sich verstärkte: Sind die Leiber auch zerfallen in Asche, der Geist, der sie beseelte, wirkt unter uns fort. Sie sind nicht tot, sie leben, und wir werden sie wiedersehen. Cotoneasterzweige mit roten Blättchen und roten Beeren, eine hochflackernde rote Kerze auf grabampelförmigem, schmiedeeisernem Leuchter waren Sinnbild des Zeugengeistes, der in den beiden Toten wirksam gewesen war. Rosen, bunte Herbstblumen in Schalen, weiße Löwenmäulchen in großem Strauße waren stille Zeichen der Verehrung.
Die Gedächtnisvorträge am Nachmittag hinterließen einen ganz tiefen Eindruck. Wie groß waren die Toten doch in ihrer Bereitschaft, das Letzte hinzugeben für das marianische Christkönigsreich auf der Erde! Nun sollten sie, die so ganz der Schönstattheimat und dem Schönstattwerke verschrieben waren, ihre Ruhestätte beim Kapellchen finden, wo beiderseits der Heldengräber eine kleine geschmückte Gruft der Urnen harrte.
Nach Einbruch der Dunkelheit versammelte sich die ganze Schönstattfamilie zur Beisetzungsfeierlichkeit. Der Chor der Fratres sang vom Exerzitienberge über das Tal hin das Lied vom Lebensopfer der Heldensodalen des Ersten Weltkrieges und von der Heimholung der beim Kapellchen ruhenden Toten. Jede Strophe klang ergreifend aus in dem Kehrreim: „Schönstatt! Schönstatt!“ Welche Fülle von hohen Empfindungen barg dieses kleine Wort einstens für die Jugend, in deren Reihen auch P. Eise auf die Schlachtfelder gezogen war, welche Fülle für die reifen Männer, deren Asche nun in die Schönstatterde gebettet werden sollte welche Fülle für alle, deren Leben unlösbar mit Schönstatt verknüpft ist! ...
Das Lied war verklungen. Die neu geweihten Glocken begannen zu läuten ... Langsam und feierlich bewegte sich der Zug vom Exerzitienhaus dem Tale zu. Hinter dem Cruzifix und der Kongregationsfahne schritten die Fratres. Priester in roter Dalmatik trugen die beiden Urnen. In Rochett und roter Stola folgte der die Beisetzung vornehmende Priester. Zu beiden Seiten der Urnen flammten hellodernde Fackeln in die Nacht. Schweigend folgten die Angehörigen der Toten, Priester, Theologen, Männer, Frauen und Schwestern. Als der Zug ins Tal kam, klang hell die kleine Glocke des Kapellchens in das Geläute, das vom Berge niedertönte. Für eine kurze Weile wurden die Urnen noch zur Gnadenmutter ins Heiligtum getragen. Die Gemeinschaft brachte damit gleichsam ihrerseits die beiden Toten der Gottesmutter als Liebesopfer dar, als welche sie selbst sich ihrer Herrin heldenmütig angeboten und geschenkt hatten. Das Sterbelied von P. Reinisch: „Du bist das große Zeichen ...“ klang in die ehrfürchtige Stille und verklang mit den Worten: „... und sterbend will ich lächeln, o liebe MTA.“
Dann schritt der Zug zu den Heldengräbern. Rote Ampeln glühten dort auf der Erde. Der Schein der Fackeln ergoß sich über den Platz. Die Fratres sangen den ersten Teil des Liedes vom „heiligen Frühling“, der Heldengeneration des letzten Krieges. Darin heißt es:
„Im Haß und im Weinen
starb Friede und Glück;
die Glaubenden und Reinen,
die rufen sie zurück.
Ins Erdreich der Same,
ihr Herzblut eindringt,
im Sterben Dein Name (Mariens Name)
wie Lenzesahnung schwingt ...“
Es erfolgte die Beisetzung nach dem Ritus unserer heiligen Kirche. Die Fratres sangen alsdann ihr Lied zu Ende:
„Nun deckt sie die Erde,
doch sterben sie nicht,
dein mütterlich „Werde“
drängt nun durch sie zum Licht.
Ein Leuchten erblüht rings,
erglüht in der Nacht:
des heiligen Frühlings
Gewalt ist neu erwacht.“
In einem Sprechchor ehrten die Fratres noch die Toten. Er begann mit den wuchtigen Worten:
„Für das Gesetz seines Gottes hat dieser gestritten bis zum Tode,
und nicht gebangt vor der Gottlosen Wort.
Denn er stand gegründet auf sicherem Fels.
Dieser ist’s, der das Leben der Welt verachtet
und ist zu himmlischen Reichen hingedrungen;
denn er stand gegründet auf sicherem Fels ...“
Zum Schlusse stellte eine Ansprache (von Pater Kentenich) das Leben der beiden großen Männer in das Licht des SchönstattGeheimnisses, des vollkommenen Liebesbündnisses mit der Dreimal wunderbaren Mutter und Königin von Schönstatt. Wir dürfen sie betrachten als überaus wertvolle, kostbare Früchte dieses Liebesbündnisses. Weil in ihrem Leben die Wandlungsgnaden, die die Gottesmutter an ihrem Gnadenorte austeilte, zur vollen Wirkung gelangt sind. Sie sind aber auch Zeugen des Liebesbündnisses für die kommenden Generationen, rufen sie uns doch gleichsam aus den Gräbern zu: „Hütet unser Erbe!“ Und sie sind endlich Schöpfer dieses Liebesbündnisses. Die Asche, die wir hineinsenken in die Erde, soll der Same neuer Christen sein, neuer, heldenhafter Menschen beider Geschlechter, die an ihrem Liebesbündnis mit der Gottesmutter unentwegt festhalten. Solche Menschen braucht die heutige Zeit. Sie müssen der Gottesmutter helfen, die zerrüttete Persönlichkeit und die erschütterte Gesellschaftsordnung zu retten. Deshalb soll unser Gelöbnis sein:
Es bleibt dabei wir bleiben treu!
Der Chor der Jungmänner sang nach der Ansprache:
„Um der Reinen willen, die sich opfern, rettet Gott ein ganzes Volk.“
Mit dem gemeinsam gesungenen Lied: „Wir wollen Saatkorn werden ...“ klang die Feier aus.