Name und Ursprung. Geschichte. Burg. Pfarrkirche. Tätigkeit. Reizende Lage.
"Am Rhein, o wie herrlich; am Rhein, o wie groß; Er sammelt die Städte wie Kinder zum Schoß."
Dort, wo der Rhein unterhalb Koblenz aus der engen, felsigen Umarmung befreit, die anmutige, in alter Zeit durch den Besuch König Eduards III. von England (1337), ihre Klöster und Ritter, so bekannte fruchtbare Insel Niederwerth bildet, liegt auf dem rechten Ufer etwa eine Stunde unterhalb Ehrenbreitstein, sanft hingelehnt, fast versteckt im Grün der Bäume, das blühende Städtchen Vallendar. Die große, 1837 neu erbaute Kirche des hl. Petrus und Marcellinus, mit ihrem schönen, alten romanischen Turme ist es, welche dem Rheinreisenden den reizenden Ort zuerst verrät.
Vallendar (Vallendre, Valender) im Engersgau bedeutet Wohnung im Tal und ist uralt, wahrscheinlich gallischen Ursprunges. An der Stelle der jetzigen Pfarrkirche standen nachweislich schon zwei frühere Kirchen, von denen die ältere am 2. Juni 836 vom Erzbischof Hetti (814 847) konsekriert wurde.
Als der Grafen von Sayn Besitztum ging Vallendar an deren Erben, die Grafen von Sponheim über und nach langen Streitigkeiten wurde laut Vertrag von 14. April 1294 der Graf Engelbert, der unmittelbare Ahnherr der Grafen von Sayn-Wittgenstein, Herr zu Vallendar. In den ersten Zeiten Afterlehen der Grafschaft Sayn ward die Herrschaft am 23. Dezember 1873 unmittelbares Lehen von Trier, indem Graf Johann III. von Sayn seine Rechte dem Grafen Salentin von Wittgenstein abtrat.
Zu wiederholten Malen gaben die Grafen von Wittgenstein Vallendar zu Pfand, das sie doch stets wieder einlösten, bis zur Transaktion vom 18. Dezember 1392 unter Graf Johann, wo nachher Streitigkeiten mit Trier entstanden, welche sich nahezu 300 Jahre hinzogen bis zum Vertrage vom 18. Januar 1681, demzufolge die Grafen nur mehr mit der Hälfte belehnt wurden. Im November 1767 verkaufte Johann Ludwig seine Hälfte an den Kurfürsten Johann Philipp von Trier für 100.000 Gulden. Im Jahre 1802 kam Vallendar in den Besitz des Herzogs von Nassau und ging 1815 an Preußen über.
Die Burg zu Vallendar, um 1240 erbaut, war seit dem 30jährigen Krieg gänzlich in Verfall geraten. Im Jahre 1770 überwies Erzbischof Joh. Philipp die Ruine der Familie D’Ester. Diese errichtete an der Stelle das moderne Schlossgebäude, welches jetzt einen Teil des herrlich gelegenen Pensionates "Marienburg" bildet. Es wohnten hier seiner Zeit Goethe, Erzherzog Karl von Österreich, der französische General Bernadotte und der russische General Bistram. Goethe soll das "Heidenröslein" in Vallendar gedichtet haben.
Die neue Pfarrkirche haben wir schon erwähnt. Sie ist mit Ausnahme einiger Kathedralen die größte Pfarrkirche am Rhein. Die Reliquien des hl. Petrus und Marcellinus schickte Eginhard, der Geschichtsschreiber Karls des Großen aus Seligenstadt. Außer ihnen besitzt das Gotteshaus noch mehrere andere kostbare Schätze und Heiligtümer. Zur Pfarrei gehörten einst noch Höhr (bis 1688) und Hillscheid (bis 1710).
Das Städtchen zählt ca. 3800 Einwohner. Fabrikation und Gewerbe verbunden mit einer vorteilhaften Lage, geben Veranlassung zu einem sehr lebhaften Handel. Besonders Tonerde wird in der Umgegend reichlich gegraben. Vallendar war bis vor Kurzem der Stapelplatz des Kannenbäckerlandes. Viele Millionen Krüge, Steinwaren, Pfeifen usw., sind von hier aus nach allen Gegenden der Welt versandt worden.
Wundervoll ist schon die Lage des Städtchens am Rhein; geradezu entzückend aber sein Umgebung. Von der Humboldtshöhe (136 m) auf dem Vallendarer Berge sieht man bei klarem Wetter an 30 Ortschaften. Sie ist eine der schönsten Stellen am Rhein. Gegenüber, oberhalb der nördlichen Spitze von Vallendar, liegt der "Rübel", ein mit Weinreben bepflanzter Hügel, ebenfalls mit seltener Aussicht. "32 Ortschaften, worunter man sieben fürstliche Schlösser zählet, stellten sich in der grünen, unter meinen Füssen, vom Rhein und im Hintergrunde von milderen Bergen eingeschlossenen Landschaft mit der gefälligsten Mischung von Schatten und Licht, den rastlosen Augen dar." (Greg. Lang, "Rheinreise").
Besonders im Frühjahr ist die Gegend reizend. Während die gärten im Blütenschmucke prangen, überziehen sich die im Hintergrunde ausdehnenden, tiefen Wälder mit neuem Grün und aus tausenden von Kehlen gefiederter Sänger erschallt vom frühen Morgen bis zum späten Abend ein vielstimmiges Konzert in den lustigsten Weisen. Schön ist es alsdann, durch die duftenden Wiesentäler, an derem Grunde silberhelle Bächlein murmeln, auf einsamen Waldwegen, durch Laub- und Nadelwälder dahinzuwandern und die festtägig geschmückte Natur zu bewundern.
Anmutige Täler ziehen sich nach allen Seiten hin. Zunächst das schöne Tal zwischen Vallendar und Weiterburg (Wittersberg) durchströmt von der Merbach, oberhalb der am Fuße des Wüstenhofes gelegenen Schnadsenmühle, die Wüstenbach genannt. Einige Minuten hinter Vallendar gegen die Berge hin vereinigen sich drei Täler auf einmal zu einem. Das nördliche ist das Ferbachtal mit der schönen Straße nach Höhr. Bei der Lohmühle (10 Min.) lag in alter Zeit eine Klause, welche Jahrhunderte hindurch von andächtigen Frauen und nachmals von Eremiten bewohnt wurde. Im mittleren Tale rauscht der Hillscheiderbach, welcher schon weiter oben "am Pedel" den Veisternachtbach aufgenommen hat und zahlreiche Mühlen treibt. Das südliche Tal ist das Wambachtal. Die drei Bäche heißen nach ihrer Vereinigung die Leerbach (Löhrbach).
Dorthin an die Vereinigung dieser drei lieblichen Täler lenken wir unsere Schritte, dort ist unser Ziel. Schon aus einiger Entfernung sehen wir im Grün versteckt, zwei altertümliche Türme einladend uns entgegenwinken. Überrascht bleiben wir stehen. Eine große zweitürmige Kirche hier im einsamen Tale! Ja, vor vierhundert Jahren stand eine prachtvolle Kirche an dem Orte und ringsherum in feierlicher Stille im Gottesfrieden ein Kloster gottgeweihter Jungfrauen. Hehrer Glockenton und himmlischer Chorgesang im Vereine mit den jubelnden Liedern der Vögel verlor sich im leisen Säuseln der Blätter in den nahen Tälern. Wir kommen näher, vergebens suchen wir die Kirche, es stehen nur mehr gleich stummen, traurigen Zeugen, die beiden Türme. Aber ist es ein Traum? Geisterstimmen? ist es nicht als ob der Abendwind eben jetzt fromme, liebliche Weisen zarter, unsichtbarer Stimmen zu uns herübertrügen? Wir stehen auf ehrwürdigem Boden, es ist die Ruine des alten Klosters Schönstatt.