Seit Monaten rüstet sich Nueva Helvecia in Uruguay für das Silberjubiläum des dortigen Heiligtums. Am 18.10.1942 wurde der Grundstein gelegt, und genau ein Jahr später weihte der Bischof von Salto, Msgr. Dr. Alfredo Viola, die erste Nachbildung des Urheiligtums ein. Mit Recht war zur Feier dieses Ereignisses ein ausgedehntes Festprogramm erarbeitet worden. Vier Patres unserer Gemeinschaft (PP. Schäfer, Plein, Henkes und Anselmo) überquerten in einem schnellen „Aliscaphos“ den la Plata. (Aliscaphos ist etwa für humanistisch gebildete Griechen ein Wellenschneider, nach Propaganda das modernste Wasserfahrzeug der Welt!) Eine knappe Stunde braucht er für die 60 km der La PlataMündung.
Das Heiligtum liegt verborgen zwischen hohen Pinien im äußersten Winkel der schönen Gartenanlage hinter dem Kolleg. Der Giebel ist mit einem Lichterkranz eingefaßt, selbst das Türmchen und ein beleuchtetes MTA mit Krone schmückt die Giebelseite. Im Türbogen das Vaterauge mit der Umschrift: „Vater, zu uns komme Dein Reich!“ Innen fühlt man sich gleich zu Hause, selbst wenn der Kenner bald die Veränderungen entdeckt: Die 30 cm Mauern vergrößern das Kapellchen, daher 5 Bänke auf jeder Seite, und doch hat das Harmonium noch völlig Platz. Am Lichtrahmen stehen die Daten: Schönstatt 1914 Nueva Helvecia 1943. Über der Krone thront das Vaterauge, von dem Schwester Ursula behauptet, daß es das erste Vaterauge in einem Kapellchen war (von wegen Metternich!). Rechts steht noch der hl. Aloysius wie 1943 im Urheiligtum.
Hinter dem Kapellchen die genaue Nachbildung des Josef-Engling-Steines und eine sehr schöne, abgeschlossene Anlage mit Kreuzweg, in der sich mit Vorliebe unser Vater aufhielt in den Jahren 1947 bis 1951. Die lebende Hecke gewährt einen Durchblick auf ein einstöckiges Häuschen, in welchem damals unser Vater wohnte, wo er zur Zeit der Visitation eine Nacht mit P. Schulte verbrachte in angeregter Diskussion, wo er den größten Teil der epistola perlonga verfaßte ...
Beim Abendessen hatten wir den Bischof von Mercedes unter uns, Monsignor Dr. Enrique Lorenzo Cabrera, der auch im vorigen Jahr das Oktoberfest präsidiert hatte. Diesmal war er bei allen Akten vertreten und hat meisterhaft unseren Vater und sein Werk in jeder Weise zu würdigen gesucht, vor allem die prophetische Schau und Vorwegnahme der Kirche der Zukunft.
Am Samstagabend ging auch noch eine 10minütige Radioansprache von P. Walter Plein vom Lokalsender über den uruguayischen Rundfunk. Seit Tagen verkündigte das Radio das Programm des Oktoberfestes und des Silberjubiläums an die zweieinhalb Millionen Einwohner des Landes, das in seiner Ausdehnung der Bundesrepublik nicht nachsteht. Wir improvisierten auch noch einen Chor von Patres, Schwestern und Laien und sangen einige Schönstattlieder für die Rundfunkübertragung.
Da erreichte uns mitten in der Festtagsfreude die Nachricht, daß in der Morgenfrühe der Pfarrer von Nueva Helvecia im Priesterhaus in Montevideo gestorben war, P. Lorenzo Amengual, im Alter von 78 Jahren, kurz vor seinem goldenen Priesterjubiläum. Er war der große Gönner der Schwestern gewesen, dem sie es verdanken, daß sie damals das Kapellchen bauen durften. Auch war er unserem Vater in tiefer Freundschaft sehr verbunden. 42 Jahre lang war er Pfarrer in Nueva Helvecia, genau seit dem Gründungsjahr der Schwestern. Seit 2 Jahren hatte er einen Vikar. Es war nur allzu durchsichtig, daß die Gottesmutter dem guten Pfarrer am Silberjubiläum die Freude bereitete, sie und den Vater im Himmel zu sehen. Daher veränderte sein Hinscheiden nicht wesentlich das Festprogramm. P. Lorenzo wurde um 3 Uhr nach Nueva Helvecia überführt, und P. Enrique feierte die hl. Messe in Gegenwart der Leiche im Heiligtum. Sodann wurde P. Lorenzo in seiner Pfarrkirche aufgebahrt.
Wie vorgesehen, zelebrierte der Bischof mit unseren Patres und sechs Diözesanpriestern die feierliche Pilgermesse vor dem Heiligtum, wobei er beide Priester unseren Vater und P. Lorenzo würdigte, ebenso die gesegnete Arbeit unserer Schwestern.
Um 19 Uhr versammelten sich alle Pilger und die Leute vom Städtchen in und vor der Pfarrkirche, wo P. Lorenzo aufgebahrt lag. Von dort zog die Prozession aus mit dem MTA-Bild im Strahlenkranze, von Männern getragen, unter Gebet und Gesängen und den Klängen der Musikkapelle. Der Bischof präsidierte die Prozession, umgeben von uns Patres und einigen Weltpriestern. Von den Pallottinern aus Montevideo waren P. José Fuchs und P. Gregorio Rodriguez Santos gekommen zusammen mit einer Abordnung des Pallotti-Kollegs.
Die Abenddämmerung senkte sich herab, umso heller strahlte das Heiligtum in seinem Lichterkranz. Die Pilger umringten fast das Kapellchen, es dürften 1000 oder mehr gewesen sein. P. Walter Plein suchte die Herzen zu bereiten für das nun folgende Liebesbündnis vor ausgesetztem Allerheiligsten. Und jedes Mal, wenn er die fruchtbare Arbeit der Schwestern unterstrich, nickte der Bischof merklich und lebhaft, und besonders als er die gute Zusammenarbeit Schönstatts mit der Pfarrei und Diözese hervorhob, das den Geist dessen bekunde, auf dessen Grab die Inschrift steht: „Dilexit ecclesiam“. Der Bischof selbst verlas das Weihegebet und stimmte das Gebet „O meine Gebieterin“ an, danach erteilte er den Segen. Abschließend sprach der Pfarrvikar die Abschiedsworte, mit denen er den Schwestern noch eine fruchtbare kommende Epoche wünschte. Schließlich endete die erhebende Feier mit viel Hochrufen auf den Papst, auf den Bischof, auf Schönstatt, die Schwestern und das Vaterland ...
Beim Abschied meinte Schwester Oberin, daß sie nun alle um das Wunder bitten, daß sie doch einen Priester aus unserer Gemeinschaft nach Nueva Helvecia bekämen. Wir kehrten wieder ans andere Ufer zurück mit dem bleibenden Eindruck, daß wir hinter dem Glanz des Festes die Wirksamkeit der MTA während der 25 Jahre deutlich wahrnehmen konnten von diesem ersten Filialheiligtum aus im weltweiten Schönstattwerk.
(P. Walter Plein, 22.10.1968)